Mein Winterreisetagebuch Teil 2
In Teil 1 meiner Winterreise (https://www.die-reiseverfuehrer.de/post/urlaub-im-schottischen-winter) war ich in Kenmore unterwegs, im Glen Lyon, bei der Aberfeldy Destille und beim Highland Chocolatier.
Jetzt lasse ich mich mal fahren und buche eine Mountain Safari bei den Highland Safaris in Aberfeldy. Genauer gesagt ist das Unternehmen in Dull, das in den USA die Partnerstadt Boring hat, was jemand also clever passend ausgesucht hat.
All die Jahre hat nie ein Termin gepasst, nun aber, am 24.12.2024 haben sie was frei. Für meinen Urlaubsmodus, der sich bereits nach wenigen Tagen auf Schneckentempo reduziert hat, ist die Startzeit mit 12:00 h perfekt. Zweieinhalb Stunden werde ich unterwegs sein und bin rechtzeitig vor Ort, so dass ich noch einen Kaffee in dem gemütlichen Café trinken kann.
Ein Angestellter mit Elfenmütze und einem lächerlichen Weihnachtspullover schenkt ihn mir aus, und ich denke an den Film Bridget Jones, wo Colin Firth auch so einen trägt. Prinzipiell mag ich diese "Ich-bin-bin-für-nichts-zu-schade-Einstellung", denn ich selbst reise im Advent auf meinen Gruppenreisen auch gern mit Rentiergeweih oder Christbaumkugeln auf dem Haarreifen. Letztens habe ich noch ein wunderbares Gebilde in einem Charity-Shop in Canterbury für GBP 1,50 erstanden. Da muss man doch einfach zuschlagen!
Man weiht mich ein, dass der Driver Guide Andy sein wird und noch eine Familie dabei ist. Es laufen einige Männer im Kilt durch das Café, aber ich weiß nicht, warum ich mir sicher bin, dass gerade der mit einer Statur, die ich mal wohlmeinend muskulös nennen will, der 12:00 h Termin sein wird.
Und er ist es. Ich mag Männer im Kilt, habe nur meine Schwierigkeiten, wenn es um Kilt tragen im Freizeit- oder Arbeitslook geht, denn da fehlt mir einfach die Stimmigkeit des Outfits. Selbstverständlich ist mir klar, dass der Schotte keine Bergsafari mit Bonnie-Prince-Charlie-Jackett unternimmt (das ist ein kurzes schwarzes Jackett für formelle Anlässe), allerdings sehen für mich ein Schlabber-Shirt und Fliesjacke zum Kilt nicht wirklich schön aus. Aber Ende der Diskussion, es ist Winter, der Mann macht seinen Job, bei dem er mit Matsch und Schnee zu tun hat und muss es warm haben.
Mit mir in der Gruppe ist ein Ehepaar aus Virginia/USA mit 14-jähriger Tochter. Ich frage sie, warum sie gerade diese Jahreszeit gewählt haben, wo doch ihre Anreise nicht wie bei mir nur 1,5 Stunden ist und man mal eben "rüberhüpft". Auch sie wollten eine Jahreszeit, in der wenige unterwegs sind. Und winterlich-weihnachtlich sollte es auch sein.
Sie kommen gerade von der Isle of Skye und wollen noch weiter nach Edinburgh, da haben sie schnell dieses Tour eingeschoben. Das ist ein sehr sportliches Programm, denn von Portree auf Skye bis nach Edinburgh sind es 400 km. Ich mache in meinen Urlauben auch oft viele Kilometer, dagegen sind die Tagesetappen meiner Busreisen lächerlich kurz, aber 400 km mit Programm dazwischen ist schon heftig.
Es geht los. An einem Modell vor der Tür des Cafés erkärt uns Andy, woher wir fahren werden. Die Route führt Richtung Schiehallion, das ist einer der schottischen Munroes.
Ein Munro ist eine Kategorie an Bergen, die mindestens 3000 Fuß hoch sind. Das darfst Du jetzt selbst gern umrechnen. Im 19. Jh. hat ein Mann namens Hugh Munro eine Liste mit solchen Bergen angefertigt. Er hat sie alle bis auf zwei "bezwungen", da kam ihm das Ende seines Lebens in den Weg. Noch heute gibt es die beliebte Sportart Munro bagging (Berge einsacken/einsammeln).
Nur ein paar hundert Meter geht es zunächst noch über eine richtige Straße, dann biegen wir in einen Weg ein, der ein unebenes Gemisch aus Schotter und Erde ist. Es wackelt heftig. Andy sucht einen Freiwilligen, der für ihn die Gatter auf- und zumacht, und es ist klar, dass es der Mann aus Virginia machen wird. Das legen wir Frauen einfach mal völlig unemanzipiert fest.
Der Landrover ist nämlich ziemlich hoch, so dass man rausspringen muss. Wenn er schief steht, ist es, je nachdem auf welcher Seite man sitzt, ein bisschen wie auf einer Sprungschanze, oder aber auf einer Rutsche, die dich automatisch und ohne Anschieben beim Öffnen der Türen rausspült. Andy will mir helfen, denn ich bin ja alt, doch ich lehne mit dreimal Thank you ab. Mit 62 wird man ja wohl noch von einem Landrover abspringen können! Seit mir Anfang des Jahres ein Mädchen im Linienbus ihren Platz angeboten hat, bin ich gewarnt, dass ich einfach sportlicher wirken muss.
Ich muss an dieser Stelle einfach dringend erwähnen, dass Andy 6 Jahre jünger ist als ich, aber eine Haut mit noch mehr Falten hat als ein Kilt. So! Ist das geklärt.
Das Gebiet ist zunächst waldreich mit noch einer Handvoll Häusern am Wegesrand. Andy kennt hier jeden, was auch nicht schwierig ist bei den wenigen Anwohnern, und erklärt uns auch von jedem, was der macht. Wir sind also vollkommen im Bilde über die Nachbarschaft, wer noch was arbeitet, wer in Rente ist und überhaupt.....
Es ist ein wenig mühsam, Andy zu verstehen. Er behauptet von sich selbst, sehr schnell zu sprechen, was ich ihm bestätigen kann. Wir sollen ihn ausbremsen, doch das ist kaum möglich. Der schottische Dialekt ist schon gewöhnungsbedürftig. Es ist halt nicht nur das rollende "R" und dass sich "i" wie "e" anhört. Auch die schottische Art, das „L“ auszusprechen, ist ganz anders als die Engländer es tun, und fachlich beschreiben könnte es nur ein Logopäde. Nein, es gibt auch jede Menge schottische Wörter, die man nicht im Englischunterricht lernt. Ich kenne schon viele davon, aber wenn sie in einer ungeheuren Geschwindigkeit abgefeuert werden, wird es kompliziert.
Wir machen viele Stopps und lernen alles Mögliche über die Landschaft, die Geologie und die Pflanzen. Manche hätte ich beim Spaziergang alleine gar nicht wahrgenommen, sondern nur die allgemein über die Weite verteilte Farbmischung von rostbraun, rot und braun bestaunt. Jetzt sehe ich, wie viel Rot-Anteil in diesem Gemisch enthalten ist, wie der aus der Nähe wirkt und vor allem heißt.
Ich muss zugeben, die Namen der Pflanzen und Beeren habe ich vergessen, betrachte es jetzt aber genauso wie ich es als Reiseleiterin selbst bei meinen Gruppenreisen immer sage: Die Erklärungen des Guides können sich einprägen, müssen aber nicht. Sie sind für den Augenblick als Entertainment und Entdecken von Neuem. Ob man sie am Ende alle wiedergeben kann, ist irrelevant. Es zählt das Erlebnis des Moments, und der wird sich ganz allgemein einprägen. So auch hier.
Andy erzählt von den roten Eichhörnchen, die in Schottland sehr selten sind, da eine graue Spezies sie auszurotten droht. Ich erkundige mich sicherheitshalber noch einmal, ob die Grauen sie angreifen, beißen oder aber Viren übertragen, welche die Roten töten. Letzteres ist es. Die grauen Eichhörnchen pinkeln ja munter drauf los, auf jeden Ast, auf jeden Halm (wohin sollten sie auch sonst?), und wenn die Roten dann darüber laufen, zack, sind sie infiziert mit dem Eichhörnchenpocken-Virus, den die Grauen in sich tragen, aber davon eben nicht sterben. Die roten überleben diesen Virus nicht.
Man lasse also auf den Straßen, wo Warnschilder "Red Squirrels" ankündigen, besondere Achtsamkeit walten.
Wir fahren weiter über Stock und Stein und durch einen Bach, wobei wir heftig im Landrover durchgeschüttelt werden, so uneben ist es hier. Bei der nächsten Kurve warnt uns Andy dann, dass es jetzt ein wenig holprig wird. Also war es das bislang für seine Verhältnisse noch gar nicht. So unterschiedlich sind die Empfindungen.
Damit wir nicht nur schweigsam-staunend im Wagen sitzen, gibt es Fotostopps und vor allem auch ein paar Fragen. Andy fragt uns, ob wir wissen, wer eigentlich diese Maulwurfshügel überall macht. Kurzes Überlegen. Das Virginia-Girl antwortet, dass sie es nicht weiß. Andy klärt auf..... dass es die Maulwürfe machen! Und freut sich diebisch, dass jemand auf seinen Witz reingefallen ist.
Bei den Fotostopps mitten in der Pampa haben wir wundervolle Ausblicke auf die Berge und werden mit Ferngläsern ausgestattet, um eine Damwildherde zu sehen. Es ist eine unglaublich große Sippe, die sich da über das Hochmoor bewegt, majestätisch schön.
Ich habe schon wieder den Unterschied zwischen Rot- und Damwild vergessen, doch nachdem Andy uns Geweihe gezeigt und erklärt hat, schwöre ich, jetzt bleibt es hängen. Damwild hat Punkte im Fell und breite Schaufeln.
Dann kehren wir ein in eine Bothy, das ist eine einfache Berghütte als Unterschlupf. Hier hat Andy für alles gesorgt und zückt eine Art Radiator, der uns einheizen soll. Wir dürfen uns ein Heißgetränk aussuchen, und alle wählen Kakao. Andy zückt vier Tüten, kippt das Kakaopulver in unsere Tassen und das war´s. Wieder freut er sich diebisch, dass wir denken, wir kriegen nur das Pulver zum einatmen. Er hat natürlich eine Thermoskanne mit Heißwasser dabei. Und Whisky aus der Aberfeldy Destille. Dummerweise hatte Andy mittlerweile ein solches Sprechtempo aufgedreht, dass ich nicht alles verstanden habe, aber ich könnte schwören, er mag keinen Whisky. Soll vorkommen, auch als Schotte.
Wir bekommen noch eine Vorführung mit den auf den Stühlen liegenden karierten Wolldecken, anhand derer er uns erklärt, wie man ursprünglich einen Kilt in Falten gelegt und gewickelt hat und welche Stoffe man dafür nimmt. So ganz beiläufig erwähnt er, dass man ja keine Unterhose drunter trägt..... Gut, hätten wir das auch endlich geklärt.
Die letzte Quizfrage des Tages dreht sich um Tierfelle. Zwei ungewöhnliche Haarbüschel hat er auf dem Tisch verteilt und verabschiedet sich kurz aus der Hütte, während wir überlegen sollen. Es ist nich so einfach ohne Tier dran, und ich sage der Familie, eines davon wäre sicher vom Haggis. Damit können sie nichts anfangen, daher kläre ich auf, dass die Schotten die Touristen gern mit der Mähr vom Haggis-Tier veräppeln. So sehr, dass es schon ein richtiger Kult geworden ist. Ich kann´s aber auch nicht lassen, den Tourguide zu geben, so sorry. Andy gegenüber gebe ich dann mein Wissen preis und versichere ihm, mir wäre klar, dass es Haare vom Haggis sind. Woraufhin er sich sichtlich freut, dass ich einen Treffer gelandet habe.
Der Haggis ist in Wirklichkeit übrigens ein Berghase gewesen, nur damit es jetzt keine Missverständnisse gibt.
Auf der Rückfahrt unterhalten wir uns alle über Gott und die Welt (mit einem eindeutigen Schwerpunkt auf "Welt") und sind gefühlt schon mehr als 2,5 Stunden unterwegs, so erlebnisreich war das.
Die US-Familie verabschiedet sich nach Edinburgh, und ich gebe ihr noch die Webseite für eine schöne Stadtführung an die Hand: https://www.mellisschottlandabenteuer.com/
Mein Weg führt noch nach Killin, bevor ich in mein Ferienhaus zurückkehre, denn ich möchte die Aussicht vom Sron A’ Chlachain auf den See genießen. Da es schon zu dämmern beginnt und außerdem der Weg recht matschig ist, schaffe ich nur die Hälfte. Ich möchte nicht riskieren, den Rest des Tages damit zu verbringen, mich von einer Ganzkörper-Schlamm-Maske zu befreien.
An einem anderen Tag versuche ich es erneut, wenn der Boden mehr gefroren ist. Es sind kältere Temperaturen angekündigt, was auch für einen echten Winter dringend nötig ist, denn aktuell haben wir 12 Grad plus.
Mit einem Bild von der „Sron-Mittelstation“ verabschiede ich mich aus Teil 2 und freue mich, wenn Du mich in Teil 3 weiter begleitest.
Es wird weiter nach Norden gehen, wo ich mir geschlossene Destillen anschaue, die eigentlich geöffnet sein sollen, kaputte Kasernen aus dem 18. Jh., klapprige Brücken und ausgehöhlte Felsen.
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Noch besser: Buche Deine nächste Reise bei mir. Und das muss nicht nur Schottland sein.
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