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Kreuzfahrt rund um Großbritannien- Teil 2: Vom Winde verweht bei Braveheart

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Guten Morgen Greenock.

Nach einem fantastischen Seetag, bei dem wir lange die Äußeren Hebriden zur Rechten, sorry, Steuerbordseite, genießen konnten, später dann die Isle of Skye an Backbord, schiebt sich die Mein Schiff 3 langsam durch den Clyde Fjord zum nächsten Liegeplatz. Ich hatte mir so fest vorgenommen, früh aufzustehen, um die Einfahrt zu beobachten, aber was soll ich sagen, die Seeluft macht mich verrückt, ich könnte schlafen wie ein Bär. Oder Murmeltier? Egal. Auf zum nächsten Abenteuer. Für mich immer noch zu früh begebe ich mich um 7 Uhr in die Backstube und denke, ein Fitnessbrötchen ist jetzt genau das Richtige. Mit Käse. Dazu meine geliebten gebratenen Mushrooms (Pilze), die mir als Vegetarierin, die darüberhinaus auch weder Tomaten, noch Eier mag, wenigstens einen Hauch von Scottish Breakfast auf den Teller zaubern.

Warum heißt dieses Brötchen Fitnessbrötchen? Ich merke gar nichts, bin immer noch erledigt von zu viel frischer Seeluft. Noch dazu jetzt schottische, die tut ihr Übriges für einen guten Schlaf.

Aber es heißt mal wieder: Als Erste von Bord, den Bus suchen und mit dem Fahrer kurz besprechen, wie wir den Tag gestalten.

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Wir fahren heute mit Alan von MacPhails Coaches, dessen Gesicht ich nur von seinem WhatsApp-Profilfoto kenne, und ich möchte wetten, der kommt im Kilt. Ich stehe draußen, es fängt an, ein wenig zu regnen. Dreich würde der Schotte dazu sagen, und dieses Wort, übrigens laut BBC das kultigste schottische Wort, ist sehr leicht erklärt: Es bedeutet "sich lange hinziehend, langwierig, daher ermüdend, langweilig, klamm und grau". Das sagt es doch ganz deutlich. Meine Interpretation dieser Regenart lautet: Ungemütlich, ich geh zurück in die Hafenhalle." Aber ich hatte Alan gesagt, ich gebe mich an der Straße zu erkennen, habe extra meine pinkfarbene Jacke angezogen, also gehe ich wieder raus. Durch das ganze Hin und Her dauert es nicht lange, bis man mich anspricht, ob man mir helfen könnte. Das ist eine häufig zu hörende Frage in Schottland, denn die Bewohner gelten als überaus gastfreundlich und hilfsbereit. Eine Dame will mir also erklären, wo ich hin möchte. Es möchte aber jemand zu mir, und sie scheint beruhigt, tauscht noch ein paar Worte über das Wetter aus, dass ihrer Meinung nach nicht dreich, sondern smirr ist. So viele Wörter für Wasser, das aus dem Himmel kommt.

Ich habe Alan am Telefon, er ist quasi schon so gut wie da, beschreibe ihm, in welche Straße er einbiegen soll und sage ihm, dass er möglicherweise vor sich einen Bus von Caledonian Travel hat, so einen weißen mit einem großen roten Löwen an der Seite, der gerade an der Einbiegung vorbeigefahren ist. Daraufhin meint er, das wäre er, also nicht der Löwe, sondern der im Bus, auf den ich warte. Ist er also vorbeigefahren. Woher kann ich ahnen, dass ich bei MacPhails buche, aber Caledonian Travel bekomme?

Kein Mac, kein Kilt, aber wir haben uns gefunden. Es kann losgehen. Mit einem erhebenden Gefühl sitze ich in einem Bus mit tierischem Königssymbol außen dran, das wollte ich schon immer mal. Allein das Wort Caledonian, eine der Bezeichnungen für Schottland, ist berauschend. Die schottischen Busse sind jedoch von innen meist weniger berauschend und völlig anders als wir es bei unserem zu Hause gewöhnt sind, und so kann ich mir vorstellen, warum mancher Reisewillige sagt, er mag keine Busreisen, weil man eben eine Kutsche vorgesetzt bekommt, die wirklich nur zum Transport gedacht und kein besonderes Reiseerlebnis ist.

Eine Rundreise in unserem Bus ist dagegen eine wahre Wohlfühloase. Nun wollen wir aber auch nur ca. 1 Stunde bis Stirling fahren, da ist es nicht so schlimm, dass einen die Gurte erwürgen, das Mikrofon meine Stimme quietschend untermalt und wir unsere Handys mal nicht aufladen können.

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Heute machen wir eine Zeitreise und brauchen dazu nicht einmal einen Steinkreis (das verstehen nur die Fans der Serie Outlander). Die zwei Ziele, die ich ausgesucht habe, führen uns ins Ende des 13./Anfang des 14. Jahrhunderts. Das sagt Dir nichts? William Wallace und Robert the Bruce? Sagen Dir auch nichts? Versuchen wir es mit Braveheart oder Mel Gibson? Na also, geht doch.

Rund um Schottlands historische Hauptstadt Stirling liegen die ehemaligen Schlacht- und Siegesfelder der Schotten gegen die Engländer. Man hat sich Ende des 13. Jahrhunderts mit dem englischen König Edward I angelegt, nachdem der Hilferuf bei der Entscheidung um die schottische Thronfolge in England dankbar aufgenommen wurde mit dem Ergebnis, daß (die näheren Umstände lasse ich hier mal beiseite, darüber gibt es Bücher) Edward I der schottischen Unabhängigkeit ein Ende bereiten wollte. Er schwang das Schwert gegen die in Unterzahl erschienenen Schotten und bekam später den Beinamen Schottenhammer, was mir nicht richtig einleuchten will, denn zum einen war das Schwert seine Waffe, zum anderen hat er überhaupt nichts gehämmert, denn die Schotten haben ihn besiegt. Bei Stirling Bridge und später noch bei Bannockburn. Eine schwer historische Stelle haben wir also heute unter unseren Füßen.

Das National Wallace Monument haben wir fast für uns allein, denn es fährt gerade ein anderer Bus ab. Ein schöner Spazierweg führt bergan, und in der guten schottischen Luft macht es Spaß, durch den Wald und vorbei an Figuren zu schlendern, die mit der Kettensäge aus Holz geschnitzt wurden und alle mit der schottischen Geschichte zu tun haben. Das Monument in klein, ein paar Feld-, Wald- und Wiesentiere, natürlich ein Hochlandrind und ein Schaf, sowie prominente Personen aus vergangenen Zeiten, wie z.B. die Barnwell-Brüder, die es tatsächlich schafften, in einer Höhe von 3,90 m eine sagenhafte Distanz von 78 m zurückzulegen. Das war in 1909.

Auf einer mit den Rümpfen verschiedener Einwanderer und Invasoren dekorierten Bank kann man sich ausruhen oder aber sich hinter der Bank ducken, um dann auf den Rumpf eines Wikingers oder Römers seinen eigenen Kopf fotografisch setzen zu lassen. Schottland hat Menschen verschiedener Stämme und Nationen gesehen, seien es die Pikten, die Römer oder die Wikinger, die alle exakt an Stirling vorbei mussten, weil es hier die einzige Möglichkeit gab, von Süd nach Nord zu kommen (Wikinger bitte von Nord nach Süd).

Der Ausblick von der Terrasse des Monuments schließlich ist wundervoll. Stirling liegt in Sichtweite und die Highlands am Horizont dahinter.

Nun ist das Monument dem schottischen Nationalhelden William Wallace gewidmet, und wer von ihm noch gar nicht gehört hat, der wird auch ohne Wissen um ihn spätestens aufgrund der Größe des Denkmals begreifen, dass er eine extrem wichtige Persönlichkeit war. Wallace war der Held der Schlacht bei Stirling Bridge. Mit raffinierter Taktik hat er mit seiner Armee in Unterzahl die Engländer geschlagen, und wie er das angestellt hat, wird auf den verschiedenen Etagen des Monuments anschaulich mit einem Video und Leinwandpräsentationen erklärt. Das bedeutet also, Du musst da unbedingt rauf, was kein Zuckerschlecken ist, denn die Stufen sind steil, das Treppenhaus eng. Aber einige meiner Gäste wagen es und werden ganz oben, unter einer Art steinernen Krone, mit einem magischen Ausblick belohnt. Glücklicherweise hat sich das Wetter gerade wieder entschieden, Sonne zwischen den Wolken hervorzuzaubern. Es ist sehr windig dort oben, so dass kein noch so starker Haarlack die Frisur halten könnte.

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Weiter geht es nach Stirling. Hier steuern wir zunächst das Colessio Hotel an, ein beeindruckendes ehemaliges Bankgebäude. Mit Toilette - ein magisches Wort und immer gern aufgesucht auf so einem Tagesausflug. Hier bildet sich schnell eine Schlange. Aber der Hauptgrund ist heute die Hingabe an einen Cream Tea, das sind Scones mit Clotted Cream und dazu Tee oder Kaffee. Im schönen Ambiente des Hotels schmecken sie besonders gut, diese Mürbteig-Bälle, die man mit Marmelade und einer ganz stark geschlagenen Sahne, fast wie Butter, genießt.

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Das gibt Kraft für den Stadtrundgang, den ich meinen Gästen anbiete, sofern sie nicht eigene Unternehmungen vorhaben. Da ich weiß, dass alle auch gern mal shoppen gehen, halte ich den Rundgang relativ kurz und kann nicht verhehlen, dass eine kleine Shoppingrunde auch in meinem ganz eigenen Interesse steht.

Wir spazieren bergauf, Stirling liegt auf einem Basaltfelsen, bis zur Kirche Holy Rood, zum Friedhof und bis zur Burg. Holy Rood ist ein schottisches Wort für Heiliges Kreuz. Eine sehenswerte Kirche, die auch gerade geöffnet ist und eine Eintrittsgebühr kostet.

Die Statue des John Cowane steht immer noch oben auf dem von ihm gegründeten Spital für verarmte Kaufleute. Er steigt laut Legende immer erst an Silvester aus seiner Nische herunter, um zu tanzen. Ich muss unbedingt Silvester dort hin, damit ich endlich mal das Tanzbein schwingen kann. Mein Ehemann hat, wie viele Männer, Knie und Hüfte, und somit ein Argument gegen Verrenkungen auf einer Tanzfläche.

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Der Friedhof ist eine außergewöhnliche Oase mit uralten Grabmalen, teils aus dem 15. Jahrhundert. Dazu einige Statuen, die an die Zeiten erinnern, als man für seinen "falschen" Glauben hingerichtet wurde. Es war in der Zeit des 16./17. Jahrhunderts auch wirklich schwierig, sich richtig zu orientieren, waren doch Protestantismus und Katholizismus im steten Wechsel durch die jeweiligen Monarchen angeordnet. Wer konnte da noch mithalten? Egal wie Du auch ausgerichtet warst, ein paar Jahre später war es schon wieder falsch.

Stirling Castle schließlich ist ein Bollwerk und ehemalige Königsresidenz, eng verbunden mit der Stuart-Dynastie, die sehr lange über Schottland, und übrigens auch über England, geherrscht hat. Eine aufregende Dynastie, bei der Königsköpfe gerollt sind, Absetzungen erfolgten, sowie Entsendung ins Exil. Und für die last, but not least etliche Hochlandclans gekämpft und ihr Leben riskiert haben, nur um deren Traum zu folgen, Schottland wieder unabhängig zu machen. Vergeblich.

Du merkst jetzt endlich, welche historische Bedeutung mit der Gegend, in der wir uns aufhalten, zukommt. Das müssen wir erst einmal verdauen, und mit den Scones im Magen ist das wahrschlich schwierig, denn es ist kaum mehr Platz für Weiteres.

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Vorbei am Mercat Cross, das schottische Marktkreuz, statten wir einem kleinen Musikgeschäft einen Besuch ab. Hier werden Dudelsäcke hergestellt, verkauft, repariert, Noten und Lehrbücher fürs Sackpfeifen und auch einige Kilts angeboten. Ein wahres Paradies nicht nur für Freunde des legendären schottischen Instruments, sondern auch für alle, die ein Stück Alltagskultur einatmen möchten. Der sehr nette Besitzer gibt gern freiwillig Auskunft über alles zum Dudelsack, sollte aber gefragt werden, ob ein Foto von oder mit ihm in Ordnung ist. Seine Geschichte, wie ein asiatischer Tourist ohne ein Wort der Bitte seine Kamerastativ im Laden aufbaute und den Mann fotografierte, macht mich sprachlos. Tourismus sollte so nicht sein, und die Gastfreundschaft der hier lebenden Menschen darf nicht ausgenutzt werden. Hier wie anderswo ebenso. Man lebt zwar damit und auch davon, dass ständig Touristen vorbeikommen, aber wahrscheinlich kauft kaum einer davon einen Dudelsack, aber ein Mindestmaß an Respekt sollte man schon mit der Muttermilch aufgesaugt haben, um hier ein freundliches Erlebnis zu genießen.

Freizeit! Endlich geht es an und in die Geschäfte. Irgendwas ersteht jeder, das ist sonnenklar, denn Souvenirs haben die Angewohnheit, laut Nimm mich mit zu rufen. Ich halte mich dezent zurück so gut es geht und ergattere in einem Charity Shop nur einige Schlüsselanhänger mit Hochlandrind dran, die ich gut gebrauchen kann für die Vorfreudepäckchen, die mit den Reiseunterlagen an meine Individualreisegäste auf den Weg gehen. In solch einem Charity Shop gibt es so manchen Schatz, manchmal sogar neu, zum günstigen Preis, und ein Gespräch mit den Angstellten oder wahrscheinlich ehrenamtlich Arbeitenden ist auch immer willkommen, damit das Englisch nicht einrostet. Aber nein, der blaue Fascinator kommt nicht auch noch mit, ich habe bereits einen in pink und einen in beige, es reicht. Auch wenn die Verkäuferin mich überzeugen will, dass ich den sonst niemals für £ 3,50 bekomme.

Auch die fantasievollen Schuhe lasse ich stehen. Welch eine Schande, wären sie doch der absolute Hingucker, aber wahrscheinlich auch Hinfaller.

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Wir fahren zurück nach Greenock zum Schiff. Alan wählt die Route über Glasgow, wo Stau vorprogrammiert ist. Wahrscheinlich will er uns zeigen, dass es sowas in Schottland auch gibt, wenn auch Autobahnen hier rar gesät sind. Ich kann mir Schöneres vorstellen, denn immerhin haben wir eine Zeit einzuhalten, zu der wir wieder an Bord sein müssen, und die schwindet gerade rapide. Es passt aber alles, wir sind wieder an Bord und können endlich mal wieder was essen. Mediterran Klassik, Atlantik Klassic, Tag&Nacht-Bistro oder Buffet? Was darf es denn heute Abend sein?

Wir müssen uns gut rüsten, denn für einige Tage ist es vorbei mit dem Lotterleben an Seetagen. Es geht Schlag auf Schlag weiter, denn morgen schon sind wir in Belfast, direkt danach in Liverpool. Also ab ins Bett. Oder doch noch schnell ins Theater. Oder zum Sport. Oder zum Zeichen-Workshop. Oder zum Whisky-Tasting. Ich kann mich nicht entscheiden, also lasse ich den Abend bei einem Cocktail ausklingen, das muss genügen.

Wir sehen uns in Belfast im nächsten Teil.

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