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SĂŒdengland auf die japanische Art

Die Schottland-Fans mögen es mir verzeihen, ich war mal wieder in England. Die Grafschaft Kent ist ja von meinem Zuhause nicht ganz so enorm weit entfernt. Da huscht man eben mal 400km nach Calais, lĂ€sst sich mit dem Viehwaggon in 35 Minuten durch den Tunnel schießen, legt nochmal 50 km drauf und ist mittendrin im Burgen-, Hopfen- und Herrenhaus-Land.

Meine Tour ist beruflich begrĂŒndet, denn ich will mir in 5 Tagen all das ansehen was ich mit meinen GĂ€sten im nĂ€chsten Mai in 10 Tagen mache. Da habe ich mir japanischen Tourismus vorgenommen, aber manchmal macht mir auch sowas Spaß. Einfach mal raus aus dem BĂŒro und ... hĂŒpf hĂŒpf ... das Schöne mit dem NĂŒtzlichen verbinden. NatĂŒrlich habe ich all die Sights dort schon ausfĂŒhrlich gesehen, und ihr fragt euch vielleicht, warum denn jetzt alles in so einem Affenzahn? Und vor allem, weil es nichts Neues fĂŒr mich ist. Die Antwort ist: Weil ich es will. Und gucken möchte, was sich wirklich hinter den Hotels verbirgt, die ich ausgesucht habe. Und weil Reisen einfach zum Leben gehört. Dazu kommt, dass ich meine Mitarbeiterin mitgenommen habe, die all das noch gar nicht kennt. Also zeige ich ihr im Schnellformat eine FĂŒlle von Highlights.

In Godinton House ist niemand zu Haus, es ist ja auch keine Saison. Wir kurven ein wenig durchs GelĂ€nde und finden plötzlich einen Privatweg am interessantesten. Mit schlechtem Gewissen nehmen wir uns vor, dem nĂ€chsten, der uns kritisch anguckt, zu sagen, wir hĂ€tten uns verirrt, und genau so kommt es auch. Vater, Sohn und Hund fĂŒhren uns freundlich-schmunzelnd in typisch englischer Manier mit einer FĂŒlle an ErklĂ€rungen, garniert mit kleinen Anmerkungen zum Wetter, aus dem GelĂ€nde heraus.

 

Dann wird es jetzt eben Sissinghurst Castle. Das ist sowieso schöner, grĂ¶ĂŸer, weiter und vor allem geöffnet.

Erstmal Cappuccino in der alten Scheune, bzw. davor, denn das Wetter ist zum anbeten schön. Ich erfreue mich an den kleinen Spatzen, die etwas von unserem Kuchen abhaben wollen. Ok, jetzt ist es raus, es war halt nicht nur Cappuccino, sondern auch noch GebÀck.

Die Spatzen allerdings haben bei mir plötzlich verkackt. Sorry, dass ich es so drastisch sage, aber eben dieses haben sie getan. So ein hektischer Piepmatz direkt ĂŒber mir vom Baum herunter. GlĂŒcklicherweise wurde mein Kuchen verschont.

Das Anwesen Sissinghurst und seine GĂ€rten wurden ab 1930 von der Schriftstellerin und Gartenbauerin Vita Sackville-West und ihrem Mann angelegt.

Entworfen hat er, gepflanzt hat sie. Ich finde, GĂ€rten kann man schlecht mit Worten beschreiben. Ihr mĂŒsst einfach hinfahren und gucken.

 

In Scotney Castle ist kein Parkplatz fĂŒr uns frei. Wir sollen um 15 h nochmal wiederkommen. Ok, das machen wir und fahren erstmal zur Bayham Old Abbey, wo absolut niemand gerade besichtigt und gleich drei Mitarbeiter von English Heritage uns Fakten und Geschichte zur Abtei gnadenlos um die Ohren hauen. Wir sind gerade die einzigen Opfer und nehmen dankend an. Schon allein, weil der den Guide begleitende Hund so toll ist.

Es ist super interessant und ein absolut schönes Fleckchen Erde, das ich nur empfehlen kann.

Neuer Versuch mit Scotney Castle. Ich lasse nicht locker, denn da war ich noch nie. Immer noch kein Parkplatz frei, aber jetzt reden wir auf den EingangstorwĂ€chter ein, wie wahnsinnig traurig wir nun sind, wir sind doch beruflich hier und mĂŒssen hinein, und außerdem wollen wir nur 15 Minuten bleiben. Nur mal ganz kurz gucken. Er hat Mitleid mit uns VerrĂŒckten, denn wer will schon eine Anlage in nur 15 Minuten schaffen, und ringt uns das Versprechen ab, niemandem zu sagen, dass er uns einfach so irgendwo dazwischen quetscht. Versprochen ist versprochen. Ich sag nix, und jetzt vergesst das jetzt bitte auch sofort.

Scotney Castle kommt gleich im Doppelpack mit einem Renaissance-Herrenhaus und einer mittelalterlichen Wasserburg daher.

Der Garten ist im "Picturesque Stil" angelegt. Das habe ich noch nie gehört und frage Google, was es mir dazu sagen kann. Mit dem Begriff an sich kann man es sich natĂŒrlich schon denken, aber die Definition ist schon interessant.

Ein William Gilpin hat im Jahre 1782 ein Ă€sthetisches Ideal in die Debatte ĂŒber die Kultur in England eingefĂŒhrt. In seinem Buch, das zu dem Zeitpunkt ĂŒbrigens schon 12 Jahre auf dem Markt war, leitete er die feine Gesellschaft an, "bei ihren Lustreisen das Antlitz der Landschaft nach den Regeln der malerischen Schönheit zu untersuchen."

Er wollte sie romantisch sensibilisieren.

Also wenn das kein Grund ist, jetzt mal dort hinzureisen.

 

Jetzt aber endlich zum Hotel, das ĂŒbrigens in Dorking/Surrey liegt, aber wir wollen mal nicht pĂ€pstlicher als der Papat sein. Surrey ist auch nur ein paar Ecken weiter und wird von uns touristisch jetzt einfach mal als "irgendwie genauso wie Kent" eingemeindet.

Auf dem Weg nehmen wir noch Goudhurst mit, das ist ein toller, pittoresker Ort mit einem schön gelegenen alten Friedhof. Es ist Halloween, und wie durch Zufall ist ein Grabdeckel zur Seite gerutscht, oh my God!

Und dann erblicken meine Äuglein spontan ein Schild nach Knole. Das habe ich schonmal gehört, und es stellt sich heraus, da war ich auch schonmal. Je weiter wir ins GelĂ€nde hineinfahren, umso mehr erinnere ich mich, was fĂŒr ein Anwesen uns erwartet. Und wieder ist es geschlossen. Das Erlebnis hatte ich doch auch das letzte Mal schon. Es ist auch einfach schon zu spĂ€t und dĂ€mmert bereits. Aber wer braucht ein riesiges Haus mit dicken Mauern und alten Möbeln wenn man Hirsche direkt vor der Nase haben kann? Eine Herde mit imposanten GeweihtrĂ€gern trifft sich zum Stelldichein auf einem HĂŒgel. Neben uns bauen sich Menschen mit riesigen Fotoapparaten auf und eine Familie holt CampingstĂŒhle und Snacks aus dem Auto, um beim Hirsche beobachten gemĂŒtlich zu picknicken. Wir lernen, dass jetzt Brunftzeit ist und die Tiere in der DĂ€mmerung auftauchen, um sich im Geweih-Kampf zu messen.

Wir ziehen uns still in unser Auto zurĂŒck und beobachten in Ruhe das tolle Schauspiel, bei dem auch ab und an die Kuh, um die es geht, munter durchs GelĂ€nde springt. Bis uns bewusst wird, dass wir noch 1,5 Stunden durch die Dunkelheit zu unserem Hotel zu fahren haben. Doch auch das ist sowas von egal, denn wir haben was ganz Tolles erlebt an einem milden Novemberabend. Beeindruckend und beruhigend.

 

In Dorking ist das Hotel White Horse ein echter Herzens-Tipp. So ein herzlicher Empfang, so ein tolles altes GemĂ€uer, und die Zimmer einfach nur zum WohlfĂŒhlen. Schade, dass wir im nĂ€chsten Mai hier nur eine ZwischenĂŒbernachtung machen, aber ich werde eine Reise dorthin einmal ausschreiben, denn auch in Surrey gibt es eine enorme Vielfalt zu erleben.

Das machen wir am Folgemorgen auf dem Weg nach Torquay. Das ist schon ganz schön gewagt, denn es sind 300 km zurĂŒckzulegen.

Doch was ist das schon? Über Nationalstraßen 5 Stunden mit ein paar Fotostopps. Ja, das wĂ€re es in der Tat, wenn man dann nicht so lange noch mit der Rezeptionistin quasselt und sich jede Menge Tipps abholt und demzufolge das Hotel statt um 9 Uhr erst um 10:30 h verlĂ€sst. Wenn man dann neugierig dem Tipp folgt, dass es ein Weingut in der NĂ€he gibt, dort ĂŒber das GelĂ€nde staunt, noch einen zufĂ€llig stattfindenden Charity-Markt mitnimmt, sich dort von einem Schotten einen Rum mit "fantastic and healthy botanicals" aufschwatzen lĂ€sst und dadurch erst um 12:00 h weiter kommt.

Und als wĂ€re das nicht schon verzögernd genug, mĂŒssen wir dann auch noch Wisley Gardens, ein Paradegarten der Königlichen Gartenbaugesellschaft, ansteuern. Alles die Schuld der Rezeptionistin im White Horse!

Alle Stopps, die ich meiner Mitarbeiterin unterwegs noch gönnen wollte, sind gestrichen, sonst kommen wir nie an.

Aber nach Bridport zur West Bay an der FossilienkĂŒste will ich unbedingt, und dort kommen wir auch an, im Dunkeln. Es ist schon ein PhĂ€nomen, dass meine Handykamera ein Bild zaubert, das Helligkeit in den Strand bringt wo gar keine ist.

Und weil es ohnehin jetzt schon gnadenlos spĂ€t ist, fahren wir noch durch Lyme Regis uns gönnen uns eine Portion Pasta in einem hĂŒbschen Restaurant.

Das Hotel in Torquay erreichen wir quasi kurz vor dem Schlafengehen und können uns nach einer Irrfahrt durch die Gassen mitnichten vorstellen, wie man das Hotel mit einem 14-m-Bus erreichen kann. Aber man kann, wenn man ausgeruht ist, bei Tageslicht ankommt und sich vor allem so auskennt wie mein Mann, der den Bus fÀhrt.

 

Das Hotel Osborne liegt traumhaft schön an einem ruhigen Ende des bekannten Badeortes Torquay direkt oberhalb der Bucht Meadfoot Bay. Bei der Einfahrt auf den Parkplatz kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Ein GebÀude im Regency Style, den ich jetzt nicht auch noch erklÀren will (mache ich auf der Fahrt im Mai), halbmondförmig angelegt, wie es Anfang des 19. Jahrhunderts in Mode kam.

Die Erwartungen sind extrem hoch. Und genau das ist das Problem, denn in den Zimmern geht es nicht in dem Stil weiter. Wir erliegen wohl dem typischen Fall, auf den ich meine Kunden immer mit Nachdruck vorbereite, dass man in England (und auch in den anderen Landesteilen der Insel) immer ein wenig Humor fĂŒr Skurriles und MerkwĂŒrdiges im GepĂ€ck haben muss und vor allem bei der Zimmergestaltung sehr entspannt bleiben muss.

Wir erleben das typische Teppichparadies, das GemĂŒtlichkeit zaubern soll und einfach zu den Traditionen gehört. Wir finden abgeblĂ€tterte Fensterrahmen und natĂŒrlich diese Doppelverglasung, bei der man die Außenseite des inneren Fensters und die Innenseite des Ă€ußeren Fenster selten gut reinigen kann. Nein, eigentlich nie.

Ein Haus am Meer, na klar, das wird angegriffen von Wind und Salz und kann nicht alle paar Monate renoviert werden. Das ist sicher auch dem kritischsten Touristen klar.

Dennoch kann ich eine anfÀngliche EnttÀuschung nicht leugnen. Da wir ja auf Business-Trip sind, wird am Morgen sofort losgelegt und eine Alternative gesucht.

Das ist in Torquay und seinen Nachbarorten an der Englischen Riviera ein nahezu unmögliches Unterfangen. Man spĂŒrt hier, dass die besten Zeiten zumindest in diesem Augenblick vorbei sind und man arg mit sehr verblasstem Charme zu kĂ€mpfen hat.

Es ist halt wie mit so vielen Urlaubsorten weltweit, die das ganze Jahr geöffnete Hotels bieten, wo GÀste durchgeschleust werden und man alles ausreizt und mitnimmt was geht.

Dennoch bleibt das Fazit, dass das von mir gewĂ€hlte Hotel nicht zu ersetzen ist. Wir freunden uns mit dem Zimmer an. Das Bad ist modern gefliest und alles da was man braucht. Bei Tageslicht ist auch die Einrichtung von den Farben her stimmig, das Zimmer groß. Es war halt einfach die zu hohe Erwartung beim Anblick von außen, der mich veranlasst hat, im Zimmer mindestens einen Kronleuchter und vergoldete WasserhĂ€hne zu erwarten. Und genau das sollte man nicht tun.

Die Lage ist einfach nur wunder bar. Ich sehe schon meine ReisegĂ€ste draußen sitzen, aufs Meer schauen, einen Sundowner von der Bar holen und staunen, wie viele Palmen hier wachsen. Und es gibt einen Pool fĂŒr alle Mutigen.

Da unsere Besichtigungstour, die noch weiter westlich gehen sollte, nun ausgefallen ist, begnĂŒgen wir uns mit dem Besuch von Totnes und Dartmouth.

Totnes ist ein elisabethanisches StĂ€dtchen. Das ist auch wieder so ein Begriff aus der englischen Architektur. Lasst es mich einfach mit "ganz entzĂŒckend" definieren. Von hier aus unternehme ich mit meinen ReisegĂ€sten eine ganz zauberhafte Bootsfahrt ĂŒber den Fluss Dart bis zu dessen MĂŒndung bei Dartmouth. Man fĂ€hrt an Agatha Christies Sommerhaus vorbei, sieht Weinberge und jede Menge Enten- und Vogelvolk. Idylle pur. Und Dartmouth ist dann noch einmal ein Pfund an Schönheit obendrauf. FĂŒr alle Rosamunde-Pilcher-Fans sie gesagt, dass Dartmouth hĂ€ufig Filmschauplatz war. Es ist eben nicht immer Cornwall, wo gedreht wurde.

Wir schlemmen Eiskrem aus Devon fĂŒr ein Wahnsinnsgeld, aber lecker ist sie. Unglaublich lecker! DafĂŒr funktioniert beim Schaffner auf der FĂ€hre nach Kingswear das KartengerĂ€t nicht und wir stauben eine Gratisfahrt ab. Auch schön.

ZurĂŒck in Torquay freuen wir uns sogar schon wieder auf unser Hotel, denn nach den ersten Tagen voller Sonne und Milde, trotz November, erwischt uns heute heftiger Regen. Das Restaurant im Hotel ist wirklich gemĂŒtlich, und der Kellner muss schmunzeln, weil wir nur eine Vorspeise bestellen. Zuviel Scones und Eiskrem - er hat VerstĂ€ndnis.

Mit einem köstlichen Chardonnay mit Blick aufs Meer geht dieser aufregende Tag zu Ende.

 

Der nĂ€chste Tag fĂŒhrt uns nach Ilminster. Die Frage ist, ob man da hin muss. Ja, muss man, denn als Ausgangspunkt, um die Grafschaft Somerset zu erkunden, ist das StĂ€dtchen mit seinem schönen MĂŒnster geradezu ideal. Wir spicken die kurze Fahrt dorthin mit einem Besuch der Buckfast Abbey. Erinnerungen kommen auf, denn auf einer meiner ersten Englandreisen war ich hier. Damals in den 80ern mit dem westfĂ€lischen Imkerverband. Nein, ich bin da nicht Mitglied, ich habe deren Reise begleitet und wurde, da die JĂŒngste an Bord, mit der Ehre bedacht, immer das Opfer fĂŒr Bienenexperimente zu sein.

In der Buckfast Abtei lebte Vater Adam, der passionierte BienenzĂŒchter. Ich glaube, er war taub, aber das macht die Sache ja noch einfacher, denn dann hört er das stĂ€ndige Summen nicht.

Er versicherte mir, dass die Buckfast-Biene die harmloseste von der Welt ist, ganz im Gegensatz zu einer irischen Sorte, die höchst aggressiv sei. Ich musste meine Hand herhalten, um die Tierchen darauf munter krabbeln zu lassen. Was tut man nicht alles fĂŒrÂŽs Entertainment? Aber ich kĂŒndigte bereits an, dass der Spaß dann bei den irischen Killerbienen aufhört. Ich stĂŒnde nicht zur VerfĂŒgung fĂŒr weitere Demonstrationen.

Die Buckfast Abteikirche ist einfach nur fantastisch. Du betrittst sie, weil dich schon das Äußere magisch anzieht und befindest dich in einem hellen, klaren Raum. Die Mauern und SĂ€ulen sehen gotisch aus, sind aber keineswegs so alt. Ein Mensch, der auf uns zukommt und uns einlĂ€dt, uns umzuschauen, erklĂ€rt, dass die Kirche Anfang des 20. Jahrhunderts im gotischen Stil neu gebaut und natĂŒrlich auch im Laufe der Zeit noch wieder restauriert wurde. Auf mich macht sie den Eindruck als wĂ€re sie gestern erst entstanden. Die AtmosphĂ€re ist einzigartig, die Orgel ein wunderschönes Werk, das in mehreren Teilen zwischen den Pfeilern im Chorraum silbern hervorlugt. Hinter dem Altar ein Raum der Stille, in dem man ein wunderschönes, riesiges und modernes Buntglasfenster bestaunen kann.

Bei so viel Schönheit braucht es auch wieder einen schönen Scone mit Cappuccino. Das Kloster eigene CafĂ© ist hier gut aufgestellt. ZusĂ€tzlich schauen wir uns noch das Northgate Hotel auf dem GelĂ€nde an, ebenfalls in klösterlicher Hand und absolut empfehlenswert fĂŒr einen Urlaub in perfekter Ruhe.

 

Wie fĂŒr uns geschaffen liegt dann zwischen der Abtei und unserem Tagesziel der Dartmoor Nationalpark.

Dieses Granitmassif trĂ€gt vornehmlich Heide und Moor auf dem RĂŒcken. Anfangs steuern wir ĂŒber Straßen mit hohen Hecken links und rechts, die uns auch nicht das Geringste von der Landschaft offenbaren. Das bin ich nicht gewöhnt, denn im Reisebus schaut man ĂŒber sie hinweg. Wieder mal ein Plus fĂŒr Bus.

Irgendwann jedoch weitet sich das GelĂ€nde, und wir gelangen auf Anhöhen mit weiten Ausblicken ĂŒber das Moor. Die Landschaft ist ein Traum. Mit uns teilen sich nur extrem wenige Touristen und jede Menge Dartmoor Ponies den Anblick. Die sind nicht sehr scheu und manchmal sogar fordernd frech, weil sie Handys fĂŒr Futter halten, das wie selbstverstĂ€ndlich nur fĂŒr sie da zu sein scheint.

Wir knipsen gefĂŒhlt 40 GĂ€ule, weil natĂŒrlich an jeder Ecke noch ein schönerer steht. Die Schafe, die auf den Straßen ebenfalls Vorfahrt haben, sind fĂŒr mich eher uninteressant. Zu viele davon schon in Schottland gesehen. Aber bei einer bildhĂŒbschen Hochlandrinderherde geht es dann doch wieder mit mir durch. Ich muss sagen, ich habe sie im Schottland natĂŒrlich gesehen, aber doch nicht in dem Maße wie man es fĂŒr den nördlichen Landesteil erwarten wĂŒrde. Hier im Dartmoor stehen sie einfach auf der Straße rum und wissen selbstverstĂ€ndlich wie schön sie sind.

Wir bestaunen sie auch bestimmt 15 Minuten, ehe sie entscheiden, dass wir auch etwas von der Strasse haben dĂŒrfen, um weiterzukommen.

In Ilminster habe ich mit dem Shrubbery Hotel etwas Gutes ausgesucht. Im Mai werden wir mit unseren ReisegĂ€sten das Hotel komplett fĂŒr uns alleine haben. Es ist sehr gemĂŒtlich hier. Auch wieder typisch englisch, mit viel Teppich, Stuckdecken bis zum Abwinken und schrumpeligen "Double-Glazed Windows" wie bereits beschrieben.

Die Zimmer erreicht man zu Fuß ĂŒber unebene Treppen und dann durch unendliche GĂ€nge mit gefĂŒhlt 25 FeuertĂŒren. Aber die AtmosphĂ€re stimmt. Man kann draußen sitzen und in die weite Landschaft Somersets gucken, wo ĂŒbrigens enorme FlĂ€chen mit ApfelbĂ€umen die Dauerversorgung mit leckerem Cider garantieren.

 

FĂŒr die RĂŒckfahrt nehmen wir uns trotz 300 km Fahrtstrecke wieder einiges vor. Jetzt sind wir ja gestĂ€hlt und wissen, dass wir sowieso wieder im Dunkeln ankommen. Was sollÂŽs. Es ist eben November. Das Wetter ist wieder prima, es geht los Richtung Lenham in Kent.

Absolutes Muss auf dem Weg, wenn auch ein Umweg, ist Castle Combe in den Cotswolds, einer meiner Lieblingslandstriche in England. Goldgelbe HĂ€user aus Sandstein mit tollen TĂŒren mit noch tolleren TĂŒrklopfern stehen hier zuhauf. Du musst nur ein paar Autos wegfahren, einige Papierkörbe verstecken und vielleicht das E II R (Elizabeth II Regina) an den BriefkĂ€sten der Royal Mail retuschieren und schon ist die Location fĂŒr Filme, die im 19. Jahrhundert und Anfang 20. spielen, perfekt. Wir spazieren durch den Ort, in dem glĂŒcklicherweise nur Anwohner parken dĂŒrfen, und genießen eine schöne Stunde im Flair von Good Old England.

Im Mai werde ich mit meiner Gruppe diese Schönheiten dann auf entspannten TagesausflĂŒgen erleben. Wo wir nur eine Nacht, oder sogar nur eine halbe, verbracht haben, bleiben wir nĂ€chstes Jahr vier.

FĂŒr uns heißt es dann aber hurtig Richtung Osten. Die Autobahn muss herhalten, damit es mal etwas schneller geht.

Dann erwischt uns ein Stau, oder wir ihn, was uns wieder auf die Landstraße umleitet, und zwar freiwillig. Also dann nehmen wir aber auch noch Avebury mit. Wenn es schon langsam voran geht zum nĂ€chsten Ziel, dann aber bitte richtig und schön.

Avebury liegt in Wiltshire östlich von Bath und ist teilweise in einen der grössten Steinkreise auf den Britischen Inseln eingebaut. Hier lĂ€ufst du ohne Eintrittsgeld ĂŒber eine fantastische Wiese und entdeckst immer wieder noch einen weiteren Ring. Den Inneren, Äußeren und nochmal weiter Äußeren. Es ist schon sehr beeindruckend, bzw. "brilliant". Endlich ist es soweit, dass ich diesen Begriff einmal anwende. Man hört ihn - brilliant- hier so oft, und ich finde ihn so toll, dass ich ihn fĂŒr Avenury endlich selbst mal benutze.

Vorbei am malerischen StĂ€dtchen Marlborough und meinem persönlichen Riesenschmerz, dass wir Highclere Castle, den steinernen Helden der Serie Downton Abbey links liegen lassen mĂŒssen, erreichen wir Lenham. Mit dem berĂŒhmten Leeds Castle im RĂŒcken schlagen wir uns durch die letzte englische Nacht im wunderschönen Chilston Park Hotel, eine Unterkunft fĂŒr einen wĂŒrdigen Abschied von der Insel. Hier kann man förmlich in Stuck baden. Er ist ĂŒberall, an WĂ€nden und Decken, und zaubert eine wertvolle AtmosphĂ€re.

Am letzten Abend weint der Himmel, denn morgen fahren wir nach Hause. Recht hat er, man soll uns ordentlich vermissen. So viele Highlights in so kurzer Zeit hat wohl noch nicht einmal der schnellste japanische Tourist eingesammelt.

Im kommenden Mai bringe ich sie dann wieder zurĂŒck 😉














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