Zum Sonnen in die Highlands
- Gabi Quiatek
- vor 2 Tagen
- 8 Min. Lesezeit
In Schottland ist der Himmel blau und das Essen lecker

Um es gleich vorwegzunehmen, der Untertitel ist keine versteckte Andeutung, dass ich mit diesem Blogbeitrag das berühmte Blaue vom Himmel herunterlüge. Kann auch gar nicht sein, denn das Blaue im Himmel war nun über 8 Tage wirklich da und auch nicht annähernd zu einem faden Grau zu degradieren.

Schottland vom 13.-21. August 2025. Das Datum darf man sich durchaus im Kalender notieren, um sich immer daran zu erinnern: Schottland kann auch Sommer.
Grundsätzlich scherzen die Schotten eher, dass der Sommer, zum Beispiel im Jahre 2023, auf einen Freitag fiel.
Es ist schon richtig, es ist ein Land des schnellen Wetterwechsels, man sagt, es könne alle vier Jahreszeiten an einem Tag geben.
Als ich das ziemlich zu Beginn der Reise im Bus kundtue, meine ich, eine gewisse Unsicherheit bei meinen Reisegästen gespürt zu haben. „Hätte ich vielleicht doch noch die Skijacke einpacken sollen“, war bestimmt hier und da der Gedanke.
Der Reisebus rollt Richtung Niederlande und bringt uns endlich raus aus dem derzeit einem Glutofen gleichenden Deutschland zur Fähre mit Ziel Schottland.
Endlich kühle Erfrischung in Sicht. Kein Schwitzen, allenfalls ein wenig milde Luft bei vorausgesagten 20-22 Grad, gepaart mit ein paar freundlichen Wölkchen. So kann das Leben schön sein.
Schon der Ankunftstag belehrt uns eines Besseren. Puh, ganz schön warm hier, das hätte man nicht gedacht und ist für den schottischen Sommer auch eher ungewöhnlich.
Schon in Gretna Green kommen die ersten Gäste zurück mit den Worten „Ach, ich lass doch lieber meine Jacke im Bus“.
Eine mutige Mitreisende entscheidet sich für den Kauf eines herrlich warmen Wollcapes. Wer weiß, vielleicht kann dieses schon in den nächsten Tagen Premiere feiern und sich gemeinsam mit der Trägerin die Highlands anschauen.

Mittagspause, die Sonne brennt, die Frisur sitzt - noch!
Der Wetterbericht hatte doch nicht mehr als 22 Grad angesagt! Und ein paar Wolken! Wo sind die denn? Stattdessen zeigt der Himmel ein blaues Grinsen in Dauerschleife.
Wie üblich erzähle ich von Gepflogen- und Besonderheiten auf der britischen Insel, und das schließt selbstverständlich auch die besonderen Fenster ein, die der Brite aus Tradition so liebt. Sash windows heißen sie, sehen zwar schön aus, doch haben einen speziellen Schiebemechanismus, der dem nach Luft japsenden Menschen das Einatmen durch eine Öffnungshöhe von etwa 15 cm gestattet.
Man lächelt, schmunzelt, und hat dennoch nicht wirklich eine genaue Vorstellung davon, was das wirklich bedeutet….. vor allem in diesem schottischen Sommer nicht.
Die Ankunft in Stirling erfolgt mit positiv-erstaunten Blicken ob des schönen alten Bankgebäudes, das in ein Hotel verwandelt wurde.
Hier lässt es sich bestimmt vortrefflich schlafen, vielleicht mit einem Gefühl wie Dagobert Duck auf einem fetten Geldsack.

Es gibt einen Aufzug. Welch angenehme Seltenheit im altehrwürdigen Schottland, das Aufzüge für unnötigen, die Fitness raubenden Schnickschnack hält, der ohnehin durch den in jedem Winkel präsenten Denkmalschutz so gut wie unmöglich gemacht wird.
Jetzt wird aber noch geduscht vor dem Abendessen, dann entspannt aufs Bett und Frischluft durch den Körper fließen lassen.
Die Zimmertür geht auf, ein Wärmeschwall bricht sich Bahn und zaubert eine Vielzahl kleiner Schweissperlchen ins Gesicht. Fenster auf und Frischluft rein. Jetzt, genau jetzt, wird Dir der Klapperatismus der sash windows mehr als bewusst.
15 cm, wenn‘s hochkommt. Und wenn das Fenster so intakt ist, dass es wenigstens diese 15 cm oben bleibt. Und von welcher erfrischenden Luft reden wir hier eigentlich? Das Thermometer zeigt noch 27 Grad am Abend.
Ein freundlicherweise vom Hotel zur Verfügung gestellter Ventilator ächzt unter seiner Aufgabe, von der er sicher nie gedacht hat, dass er diese im kühlen Schottland tatsächlich einmal erfüllen müsste.
Auch Hotels der höheren Kategorie haben nicht unbedingt eine Klimaanlage. Wofür auch? Wir sind hier schließlich nicht in der Karibik.
Wer braucht im schottischen Sommer denn schon eine Klimaanlage? Da lachen ja die Hochlandrinder, sorry, die Hühner waren es. Das Gehirn macht auch schon nicht mehr so mit.

Zum ersten Mal fällt der Spruch „Das glaubt uns zu Hause keiner“.
Natürlich glaubt das keiner, und man wird wahrscheinlich noch beim Zeigen der himmelblauen Urlaubsbilder mit Kommentaren wie „Ich wusste gar nicht, dass Du mit Photoshop umgehen kannst“ belächelt.
Zum Abendessen sind die geduschten Gemüter dann schon wieder ein wenig abgekühlt, der Stadtrundgang ist geschafft, wir haben der Hitze getrotzt und den Burgberg von Stirling heldenhaft wie William Wallace bezwungen.
Die Gehirne sind schon wieder insofern fit, als dass man sich Gedanken macht, wie denn wohl der leckere Lachs gemacht wurde. Das vom Koch versprochene Rezept hat sich leider nicht eingestellt, was aber der Stimmung keinen Abbruch tut.
An der Bar fließt der Whisky, mit Einschätzungen von „zu torfig“ bis „leckerer als gedacht“, der Gin vereinigt sich mit dem Tonic, um unsere Geschmacksnerven zu faszinieren, der orange Softdrink „Irn Bru“ ersetzt ein Hubba-Bubba-Kaugummi und findet tatsächlich seine Fans. Oder war das nur Linda????
Ein Grüppchen landet im Pub The Settle Inn, wo es angeblich am meisten spukt. Ist aber kein Geist in Sicht, was auch klar sein dürfte, denn auch schottische Geister können die Hitze nicht ab und streiken bereits ab 16 Grad.

Nun wird es auch Zeit für‘s Bett. Wie sehr freut man sich doch auf eine kuschelig-warme Bettdecke…. im Winter natürlich. Doch der Schotte braucht sowas anscheinend auch im Sommer, der ja üblicherweise ein wenig kühler ausfällt. So kämpfe ich also mit einem 2x2 m-Überwurf der etwas schwereren Art.
Für den nächsten Tag sind 22 Grad angekündigt. Das hört sich angenehm an, die große Hitze ist bestimmt vorbei, man kann durchatmen.
Das trifft auf unser wunderbares Klima im nagelneuen Reisebus auch zu, während der schottische Himmel, übrigens wiederum gnadenlos blau, Hitze von dem dort hängenden gelben Ball herunter sendet als gäbe es kein Morgen.
Das glaubt uns zu Hause keiner, aber den Satz hatten wir schon.

Es geht zu den wundervollen Stromschnellen nach Killin und zum Loch Tay nach Kenmore. Ein reizendes kleines Dorf, das ein Lokal mit beschattetem Aussenbereich hat. Ich sehe die ersten Eiskugeln in die Hörnchen rollen. Das ist eine schöne Erfrischung mit Blick auf den See.
Oh! Bella Italia! Ach nein, so sorry, wir sind ja in Schottland. Fast hätte man es vergessen.
Wir lassen uns zum Tagesabschluss noch von der Gartenpracht des Drummond Castle berauschen und können nun, zum Spätnachmittag hin, gefahrlos die Stühle auf der Aussichtsterrasse nutzen, ohne uns den Hintern zu verbrennen.
Zum ersten Male überkommt mich ein Hauch von Gedanke, wie schön es doch wäre, wenn ich den Busfahrerjob übernähme. Dann könnte ich jetzt auch im kühlen Wald stehen und auf den Bus aufpassen. Doch schon bei der nächsten engen Straße, einspurig und mit Gegenverkehr verwerfe ich diesen verrückten Gedanken.

Morgen geht es an die Westküste, die ist bekannt für viel Regen. 212 Tage kann man zum Beispiel in Fort William zählen. Da wird alles anders. Die Temperatur dann auch, da bin ich ganz sicher. Auf meine Wetter-App schaue ich aber nur noch flüchtig. Es stellt sich heraus, dass es sowieso nicht stimmt was da steht. Ich lese kurz eine 20 und sehe ein gelbes rundes Zeichen ohne Wolkensymbol.

Ah, was für ein wunderbares Plätzchen ist das am Loch Melfort! Ein Ausblick zum Niederknien, Inselchen vor den Augen, majestätische Hochlandkühe futtern in einer Gemütsruhe das Gras zu unseren Füßen ab, und zwei drollig wirkende Ziegen tun es ihnen gleich. Ein leckeres Getränk in der Hand, ein vorzügliches Abendessen im Bauch. Es könnte einem schlechter gehen.

Die Hotelzimmer haben bodentiefe Terrassen-Fenster, die so weit auf gehen, dass man sogar hindurchgehen kann.
Zu gewisser Zeit wird dann aber auch gleich wieder kehrt macht, da sich jetzt die Midges, schottische Minibiester, ihrerseits dem Abendessen hingeben möchten, und da stehen wir ganz hoch imKurs. Glücklicherweise jedoch bleibt der große, schwarze und sehr berüchtigte Mückennebel aus, auch am nächsten Tag beim Ausflug ins Tal von Glencoe, für den ein spezieller schottischer Wetterbericht die „Midges-Stufe“ vier von möglichen fünf ausgibt.
Auch auf die Mücken ist kein Verlass mehr, genauso wenig wie die Angabe der maximalen Tagestemperatur. Was soll ich sagen? Das glaubt uns zu Hause keiner, aber ich glaube, das sagte ich bereits.

Ab unter die Dusche, heißt es wieder einmal, was manch Reiseteilnehmer ein wenig zu hektisch angeht und sich das Bein verletzt. Der Wunsch nach einer schnellen Abkühlung war wohl zu groß. An dieser Stelle wünsche ich gute Besserung an Eva.
Das Glück will, dass eine reizende Krankenschwester an Bord ist und helfen kann. Da sehe ich gerade, dass ihr Nacken auffällig rot gefärbt ist. Ein Sonnenbrand gar? Ein schottischer Sonnenbrand verursacht durch schottische Sommersonne?
Ich stelle mir schon lebhaft vor, wenn sich das Rot in Sommerbräune verwandelt und man zu Hause sagen kann: Tja, die Bräune habe ich aus meinem Urlaub in Schottland. Spätestens jetzt möchten Deine Bekannten die Buchungsbestätigung sehen, um dich dann doch als heimlichen und flunkernden Italienurlauber entlarven zu können.
Reich ihnen am besten gleich das Buchungsformular Deines Reiseveranstalters und garniere es mit dem Satz: „Hier, melde dich mal für Schottland an. Du siehst wirklich blass aus!“

Es geht weiter durch die Highlands zur Dalwhinnie-Destille und nach Pitlochry, wo sich noch einmal die Einkaufstüten vermehren. Ich selbst erstehe zwei hässliche Vasen, doch das ist eine andere Geschichte für einen weiteren Blog-Beitrag.
Die Sonne brennt, die Frisur ist nicht mehr wirklich für den Laufsteg geeignet, der Koffer signalisiert mir, dass es bald kühl werden sollte, denn die dünnen Sachen gehen mir aus.
Was aber noch viel, viel schlimmer ist: Die Ingwer-Karottensuppe in der Busküche ist auch aus. Dabei hatte ich sie doch so sehr ins Herz geschlossen. Nun muss ich mich, ja, ich komme nicht drum herum, meinen glücklich im Supermarkt erstandenen schottischen Tea Cakes hingeben.
Die Bordküche gibt hingegen noch jede Menge Curry- oder sonstige Wurst her. Hörte ich da aus den hinteren Busbänken etwas von zu viel Wurst die ganze Zeit? Nun ja, schottisches Frühstück beinhaltet das, da kann man nichts machen. Oder doch, man kann sie einfach weglassen. Sensationell, was in Schottland alles möglich ist.
Und stattdessen einfach mal einen Haggis fangen und frisch zubereiten. Da braucht man aktuell gar keinen Campingkocher oder Ähnliches. Einfach in die schottische Sonne legen und an der Luft durchbraten lassen.
Oder einen frittierten Marsriegel essen. Zwei mutige Helden haben es vorgemacht und weilen noch unter uns.
Es gibt doch Abwechslung in der schottischen Küche, das wissen wir jetzt. Nur die zu Hause, die bedauern Dich wahrscheinlich, dass Du 9 Tage lang ungenießbaren in Fettpannade geklatschten Meeresbewohner zu essen bekommst. In einer Zeitung aus dem 19. Jahrhundert, weil man in Schottland so lange an Altem festhält.
Und dabei sitzt Du natürlich zitternd in den kalten, regnerischen Highlands.

Ja, Du bist schon zu bedauern, dass Du diese Reise gebucht hast. Aber außergewöhnlicher Abenteuerurlaub war doch schon immer Dein Ding. Und weil das so ist, stürzt Du dich auch noch, hinter dem sicheren Schutzschild des Reisebusses, in den Linksverkehr der schottischen Hauptstadt zur Festspielzeit.
Diese engen Straßen der Altstadt, diese Einbahnstraßen und geschlossenen Abschnitte wegen der Festivitäten. Du meisterst das alles mit Bravour und bist am Ende fix und fertig mit den Nerven, so anstrengend war die Bewunderung für das, was der Busfahrer hier leistet.

Du musst jetzt unbedingt an die frische Luft. Und heute ist sie endlich wirklich einmal frisch, und der Himmel ist grau.
Jetzt endlich sind bestimmt auch die Bekannten zufrieden.
Das ist Schottland! Du hast es so gewollt.
Es legen sich sogar ein paar hauchfeine Regentröpfchen auf der Fensterscheibe zu Ruhe. Das ist dreich, wie der Schotte sagt, eine der Bezeichnungen für die verschiedensten Regensorten, die es in Schottland gibt.
Habe ich Dir doch erzählt.
Habe ich nicht?
Bitte verzeih mir, I‘m awfully sorry, darling, mein Gehirn ist noch von der Sonne geblendet, da kann man das schonmal vergessen.

Mit einem kleinen Live-Video auf Facebook vom Military Tattoo auf der Burg in Edinburgh lasse ich meine Follower zumindest für 2 Minuten an diesem Highlight zum Reiseende teilhaben. Und guck mal, da klicken sie alle und sagen: „Wie schön das aussieht, da will ich auch mal hin“.
Soll ich das jetzt tatsächlich empfehlen, es ist doch eigentlich viel zu warm hier.
Und tief im Herzen lachst auch Du dir jetzt hoffentlich ins Fäustchen und lässt deiner Freude freien Lauf, mit einem Gedicht à la Robert Burns, Schottlands Nationaldichter:
Photoshop is wonderful.
Turns grey sky into blue.
But the reality is beautiful.
And everything is true.
My heart is in the Highlands,
and travels in a bus.
This land has many fans,
it truly is a Must.

Hallo Gabi, ich hatte ja nun das Vergnügen Gast auf dieser Fahrt zu sein. Du hast uns die Geschichte ja bereits bei der Rückfahrt vorgelesen. Und ich muss feststellen, daß meine Augen nicht ansatzweise so pointiert lesen können wie Du vorlesen kannst. Auch Deine Hinweise auf besondere Eigenheiten war sehr hilfreich. Das die mit der Aussage eines Schotten "Just a second" nicht etwa eine kurze Zeitspanne gemeint ist, sondern lediglich auf den Umstand hingewiesen das man warten möge, ohne deren Dauer auch nur ansatzweise zu benennen. Wenn man in Schottland einen Whiskeyladen, auf der Suche nach einem ganz bestimmten, betritt, ihn im Regal aber nicht findet und und die freundliche, ältere Besitzerin fragt, erfolgt die Antwort " I doublecheck it".…