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Kennst Du Kilrymont?

Auf der Suche nach Heiligen, Märtyrern und starken Königinnen


 

In meinem letzten Blogpost hatte ich blumig ein Video angekündigt, bin jedoch kläglich daran gescheitert, bzw. habe aufgrund des Aufwandes keine Lust mehr gehabt. Wer weiß, vielleicht stelle ich es eines Tage noch fertig.

Darin geht es um Kilrymont. Und ehe Du jetzt Googlemaps bemühst, weil Du das vielleicht noch nie gehört hast, löse ich das Rätsel gleich zu Anfang. Der Ort heißt heute St Andrews und liegt im Kingdom of Fife, einem Landzipfel, der sich wie eine Blase nördlich von Edinburgh nach Osten Richtung Nordsee streckt und von zwei Fjorden begrenzt ist. Dem Forth Fjord im Süden und dem Tay Fjord im Norden.

Als der Ort in den frühen Jahrhunderten, als Mönche noch scharenweise mit Missionsauftrag unterwegs waren, noch nichts vom Golfsport wusste und man nicht ahnte, dass dieses auch einmal eine Art Religion würde, gab es hier eine kleine Kirche. In diesen Jahrhunderten sprach man keltisch und Kirche hieß "kil". Kirchen müssen wohl schon immer irgend jemandem geweiht gewesen sein, sonst wäre es ja nur eine schnöde Halle, so kam hier ein gewisser Rymont zu Ehren. Es soll dahin gestellt bleiben, wer das nun war. Beileibe sicher nicht eine solche Prominenz wie der spätere Namensgeber des heutigen Golferparadieses.


Teil von St Andrews Burgruine

Es begab sich also zu jener Zeit..... Keine Sorge, es folgt nicht die Weihnachtsgeschichte, sondern die eines Mönches, der eine Vision hatte. Das soll früher schon öfter einmal vorgekommen sein, und natürlich hat man vor lauter Furcht vor den Dingen, die da kommen mochten, sofort gehorcht und Kirchen, Klöster und Abteien gebaut oder sonstige Dinge erledigt, die gefordert wurden.

Regulus, der besagte Mönch, wurde beauftragt, die Gebeine des Hl. Andrew aus Patras an die nördlichste Stelle des Christentums zu bringen, da man befürchtete, die Horden aus dem Osten wollten die Überbleibsel stehlen.

Nun ist das tatsächlich mal eine extreme Aufgabe, so ganz ohne Auto, Flugzeug oder Bahn. Doch vielleicht hätte die Stimme aus dem Himmel damals schon gesagt: Nimm lieber das Fahrrad, mit der Bahn wird das ohnehin nichts."

Regulus hat sich also auf die Sandalen gemacht, die Knochen von St Andrews in der Kutte gut verpackt, mit Destination Schottland. Das war damals das nördlichste Land, in dem man die Menschen schon ein wenig durchchristianisiert hatte.

Ob sein Ziel aber am Ende die Orkney Inseln hätten sein sollen, ist nicht erwähnt, er hat es gerade bis nördlich von Edinburgh geschafft.

Ob er keine Kraft mehr hatte oder keine Lust, die heutige Bevölkerung mag ihm welchen Grund auch immer danken, denn ab da manifestierte sich das Christentum erst einmal vollständig und es ging richtig los mit der Bekanntheit.

Na ja, nicht sofort. Es dauerte noch bis ins 11. Jahrhundert, als Königin Margaret, nach ihrem Tode auch mit dem Status "heilig" versehen, Gattin Königs Malcolm, feststellte, dass man ganz in der Nähe von Edinburgh einen 1-A-Heiligen hatte, zu dem sie einen Pilgerweg einrichten wollte. Papst gefragt, sein Ok eingeholt und die Route festgelegt.

Uups, da ist ein Hindernis zu überwinden, der Forth Fjord muss überquert werden. Rasch wurde für Queen Margaret eine Fähre eingerichtet, die sogenannte "Queen´s Ferry", nach der heute die beiden Orte am Fjord benannt sind: South Queensferry (sehr sehenswert) und North Queensferry (nicht so sehr).

Wenn man heute über die neue Brücke, Queensferry Crossing, in Windeseile im Kingdom of Fife mit seinem Auto oder dem Bus einschwebt, mag man sich gar nicht mehr der Gefahren bewusst sein, die die Pilger mit einer solchen Fährüberfahrt auf sich nahmen.


Mosaik zur Geschichte von South Quensferry

In St Andrews angekommen nahm die perfekte Pilgerorganisation ihren Lauf. Drei Straßen führten - und führen immer noch - auf die Kathedrale zu. Mittlerweile war dort nicht mehr nur ein kleines Kirchlein. Über die Südstraße wurde zum Feld des Heiligen hingeleitet, über die Nordstraße wieder zurück. In der Mitte war die Marktstraße, wo sich Händler niederließen, denn Pilger müssen verpflegt werden und auch den einen oder anderen heilgen Gegenstand erwerben. Der Handel beginnt zu blühen und tut es in der Market Street immer noch.... Nur ein bisschen anders.


St Andrews Kathedralruine

Auch heute noch steht man ehrfürchtig vor dem, was von der Kathedrale noch übrig geblieben ist, denn mit einer guten Fantasie setzt man sich vor dem geistigen Auge die Maße der Anlage zusammen und staunt.

Und was ist eigentlich mit Andrew? Der wird doch wohl nicht irgendwo in den Trümmern herumliegen! Nein, er ist ohnehin verteilt in verschiedene Länder, und Schottland hat nur einen Teil davon. Dieses Bisschen ruht in der St. Mary´s Cathedral in Edinburgh.

Dummerweise gibt es davon auch noch zwei, doch seine ewige Heimat ist in der katholischen Kathedrale, hinter dem neuen Shoppingcenter.

Vielleicht ist die Wahl der neuen Ruhestätte gut so, denn er hätte sich bestimmt im Grab umgedreht bei allem, was in St Andrews im Laufe der Jahrhunderte noch passiert ist. Die Frage ist natürlich, wie dreht man sich um, wenn man nur noch in Kleinteilen existiert, aber das Thema erörtern wir jetzt lieber nicht (Ich hab´aber auch immer komische Fragen...).

 

In den 1500er Jahren, die Universität von St Andrews war bereits gegründet, schauten sich Studenten auch durchaus einmal im Ausland bei anderen Unis um und kamen mit neuen Gedanken in Kontakt. Diese Gedanken kamen unter anderem aus den Köpfen des Martin Luther und begeisterten so manchen Studenten.

Der geht dann nach Schottland zurück und will dieses neue Gedankengut gleich in die Tat umsetzen.

Dort trifft er dann auf die Regentin Marie de Guise, ihres Zeichens Mutter von Mary Stuart, Französin und bekennende Katholikin, für die andere Glaubensrichtungen überhaupt kein Existenzrecht hatten.

Da lebte der Student recht gefährlich und fand sich schnell auf dem Scheiterhaufen wieder. So geschah es mit dem Studenten Patrick Hamilton und einigen Komilitonen.



An der North Street, auf der Höhe der St. Salvator Kirche, sind in den Bürgersteig farbige Pflastersteine eingelassen, die ein P und ein H zur Erinnerung an den Märtyrer Patrick Hamilton zeigen.

Die heutigen Studenten sollten vermeiden, über diese Steine zu laufen. Es droht zwar keine Hinrichtung mehr, aber man wird sein Examen nicht bestehen. Jetzt kommt da vielleicht ein Student aus einem anderen Land daher, der die Regel nicht kennt und latscht über diese Steine. Zack! Da ist es passiert, das Schicksal ist herausgefordert. Um nun diesen Fluch wieder loszuwerden, hilft nur eines: Ab in die kalte Nordsee und abwaschen. Wenn ich mir vorstelle, wie kalt das Wasser da sein kann, wäre vielleicht ein versemmeltes Examen doch eine Option...?

 

Apropos St Salvator Kirche. Geh mal hinein. Die Atmosphäre dort hat mir sehr gut gefallen. Die bunte Orgel finde ich optisch sehr besonders.



Vor der Kirche sind in die Bodenplatten Namenszüge eingelassen. Alles Sponsoren der Universität, die dann ihr Geld gut angelegt haben, davon aber wahrscheinlich nichts mehr mitkriegen, weil halt schont tot, aber so ihr Denkmal für die Ewigkeit bekommen haben.

St Andrews ist übrigens die älteste Universität Schottlands und die dritt älteste in der englisch sprechenden Welt, nach Oxford und Cambridge.

Die Kirche begrenzt zur Südseite den Hof des St Salvator Colleges, wo man sich ruhig einmal umsehen sollte.

Dort stehen Verwaltungsgebäude und in einer Ecke ein kleines Haus, das früher dem „Hebdomadar“ diente. Das war eine wichtige Person der Uni-Verwaltung, denn hier mussten sich die Studenten ab- und wieder anmelden wenn sie z.B. am Wochenende zur Familie reisen wollten.

Zwei berühmte Studenten der Universität von St Andrews sind Prinz William und seine Frau Kate, Absolventen in den Fächern Geografie und Kunstgeschichte. Man wunderte sich doch tatsächlich, dass die Immatrikulationen an Mädchen aus den USA einen rasanten Sprung nach oben machten als Prinz William sich hier eingeschrieben hatte. Ob das ein Zufall war?

Wie dem auch sei, er ist lange vom Markt und beehrt Schottland mittlerweile bei seinen Besuchen als Duke of Rothesay. Es gibt halt den einen oder anderen Herzogstitel dazu wenn man der erste Sohn des Monarchen ist.

Doch zurück von William zum Universitätshof.



Schön ins Szene gesetzt mit einer großen Wiese im Vordergrund sind in diesem Hof an der Ostseite einige prächtig verzierte Gebäude, die einen völlig anderen Stil haben als die restlichen in St Andrews, die zumeist ein trist-elegantes Grau zur Schau stellen und teilweise mit schottischem Baronialstil punkten, mit vielen kleinen Türmchen.

Die Herrenhaus ähnlichen Gebäude im Hof von St. Salvator glänzen im  jakobinischen Stil. Etliche Könige der Stuartdynastie hießen James (lat. Jakobus), und so wurde zu ihrer Zeit gebaut. Kunstgeschichtler wie Prinzessin Kate würden es natürlich sofort erkennen, doch auch der Laie kann Merkmale ausmachen, um die Häuser einzuordnen.

In den Zeiten der Stuart-Könige war Schottland noch unabhängig, wenn auch schon seit 1603 der englische und schottische Thron zusammengelegt waren und – wer hätte das gedacht – darauf saß ein Schotte, ein Stuart-König. Da konnte man als Schotte doch auch mal Fünfe gerade sein lassen und sich ein bisschen freuen, dass der eigene Mann das Rennen in der Erbfolge gewonnen hat.

Ist der neue Thron, da ja eigentlich zwei, dann wohl breiter geworden? Schon wieder eine dieser verrückten Fragen, die sonst keinem einfallen.

Die Unabhängigkeit wurde symbolisch durch zwei Einhörner an wichtigen Gebäuden demonstiert. So ist es hier im St.-Salvator-College-Hof. Als es nämlich mit der schottischen Unabhängigkeit vorbei war, musste das Einhorn als Partnertier mit dem englischen Löwen Vorlieb nehmen. So einfach kann Architekturgeschichte sein.



Ein weiterer schöner Innenhof ist bei der theologischen Fakultät St Mary´s zu finden. Wunderschöne Gebäude, wieder mit einer Wiese in der Mitte. Hier musst du den Eingang ein wenig suchen, er liegt an der South Street und wirkt auch so, als dürften nur die Studenten dort hinein. Vielleicht ist das auch so, aber ich bin einfach losmarschiert und man hat mich nicht entfernt.

Über eine schöne Begebenheit kann ich dann noch berichten, denn mich spricht völlig unvermittelt ein junger Mann an, ob das Gewächs da links in dem Beet in der Ecke wohl Salbei sei. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum das für ihn so wichtig ist. Fakt für mich ist, er hat MICH angesprochen, weil er wahrscheinlich dachte, die alte Frau aus dem letzten Jahrhundert, die kennt sich mit alten Kräutern aus. Ich habe zwar jede Menge Falten auf der Stirn, aber „Botaniker“ steht da noch nicht.

Aber dass es Salbei ist, das weiß ich dann doch, und er freut sich wie Bolle, dass er richtig gelegen hat. Dann schleicht er noch etliche Minuten um diesen Strauch herum, examiniert ihn von allen Seiten, streichelt die Blätter und zieht letztlich mit einem Blättlein von dannen. Leute gibt´s….



Ich fotografiere in St Mary´s Hof noch schnell die Statue von Bischof Wardlaw, Gründer der Universität, der mir mit erhobenem Zeigefinger möglicherweise sagen will, dass ich jetzt die Pilgerroute über die Nordstraße verlassen soll, um dann in der Marktstraße einzukaufen.

Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen und stürze mich in das Händlerviertel. Zwei Geschäfte preisen die besten Fish&Chips an. Na was denn nun? Ein schöner Laden mit allem, was zur Kilt-und-Co.-Ausstattung gehört, erfreut sich meines Besuches, und mit einer wundervollen Brosche gehe ich wieder hinaus. Ich weiß noch nicht, wie ich die und wo überhaupt befestigen soll, aber das ist erstmal völlig egal. Frau wird verstehen, das ist einfach so. Die musste mit.

Noch schnell für das Enkelkind ein Plüsch-Schaf geschossen und ab zum Strand.



Was ich nämlich überhaupt noch nicht erwähnt habe ist der fantastische Strand. Kilometerlang und feinsandig, dass die Karibik neidisch werden könnte. Wenn es hier nur ein bisschen wärmer wäre.

An diesen Flachlandabschnitt grenzt der heilige Rasen, das hoch gepriesene Grün, der Old Course of St Andrews, seines Zeichens Golfplatz. Ach, was sage ich?! DER Golfplatz!!! Warnschilder weisen darauf hin, dass die Golfbälle tief fliegen können. Ein kleines Brückchen spannt sich am Ende des Platzes über ein Rinnsal. Dort entstehen die Fotos nach den Championships zur Siegerehrung.

Home of Golf“ nennt sich St Andrews selbst. Im Jahre 1400 sah man, wie Bauern auf einer Wiese mit Schlägern Steine in Hasenbauten schlugen, und da war die Idee geboren.

Jeder kann Mitglied im Golfclub werden, seit längerer Zeit auch Frauen.



Ein Glückspilz ist der Rektor der Universität, denn er ist immer automatisch Mitglied im altehrwürdigen Golfclub.

So erging es demzufolge auch dem Schauspieler John Cleese, der 1970 von den Studenten zum Rektor gewählt wurde. Es war üblich, dass die Studenten darüber entschieden, und in den 1970er Jahren wollten sie die alten, starren Strukturen aufweichen, indem sie einen Comedian und Schauspieler wählten. Monty Python live in St Andrews.... John Cleese "on the bright side of life".

Studenten waren es auch, die sich dafür einsetzten, dass Frauen Mitglieder im Golfclub werden konnten. Golfen durften die, aber wehe, der Gedanke kam auf, in den Club eintreten zu wollen. Ein no-go!

Da musst erst eine Studentenlist her. Sie wählten eine Frau zur Rektorin, was zur Folge hatte, dass die "alten Knöppe" im Club nicht anders konnten als sie aufzunehmen, denn das war Gesetz und Tradition.

So geht also der Tag in St Andrews mit amüsanten Geschichten, einer Brosche und einem Plüsch-Schaf im Gepäck zu Ende.



Als nächstes beginnt dann meine eigentliche Winterreise, denn es geht in den Cairngorm Nationalpark nach Aviemore. Da geht es um Schnee, Nachtfahrten, Ben Nevis, der mich nicht will und Duncan, den gesprächigen Verkäufer im House of Bruar.


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